BayernDach Magazin 5-2020
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Änderung der Fachregel zwischen Angebotserstellung und Abnahme: Wie ist in solchen Fällen vorzugehen?
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Eine gesicherte Rechtsprechung des BGH liegt vor, nach der die zum Zeitpunkt der Abnahme geltende allgemein anerkannte Regel der Technik für eine Beurteilung der ausgeführten Leis- tung heranzuziehen ist. Kann die daraus resultierende Abnah- meverweigerung und Mangelbeseitigung wegen Unverhältnis- mäßigkeit verweigert werden? Es ist ein besonderes Merkmal bei Dachziegel- und Dachstein- deckungen, dass die Ausführung der Zusatzmaßnahme zur Dachdeckung preislich keinen wesentlichen Anteil an der Auf- tragssumme darstellt. Im Falle einer Mangelbeseitigung jedoch umso mehr, da hierfür in der Regel die Dachdeckung wieder entfernt werden muss. Im vorliegenden Fall wurde 2012 bei der Eindeckung eines Seniorenzentrums zum Zeitpunkt der Aus- schreibung eine Zusatzmaßnahme der Klasse 3 (naht- und perfo- rationsgesicherte Unterdeckung) ausgeschrieben. Die Arbeiten werden im November 2012 abgeschlossen. Im Dezember 2012 er- scheint eine neue Fachregel für Dachdeckungen mit Dachzie- geln und Dachsteinen. Darin wurde die Art der Zusatzmaß- nahme erheblich verschärft. Anstatt Zusatzmaßnahme nach Klasse 3 ist nun die Klasse 1 (wasserdichtes Unterdach) erforder- lich. Der Auftraggeber (AG) teilt dem Auftragnehmer (AN) mit, dass er die Annahme verweigert, da die Zusatzmaßnahme nicht wasserdicht und somit nicht abnahmereif sei. Der AN klagt da- rauf seinen Restwerklohn ein. Ohne Erfolg, so das OLG Koblenz mit seinem Urteil 6 U 1075/18 vom 31.05.2019. Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde am 15.04.2020 zurückgewiesen. In der Begründung führte das Ge- richt aus, dass der AN eine Leistung schuldet, die zum Zeitpunkt der Abnahme der vereinbarten Beschaffenheit und den aner- kannten Regeln der Technik entspricht. Dies gelte auch, wenn sich zwischen Vertragsschluss und Abnahme diese ändere. Ein Zurückbleiben der Bauausführung hinter den anerkannten Re-
geln der Technik ist nur dann vertragsgerecht, wenn die Par- teien eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben. Dies setzt jedoch voraus, dass der AN den AG auf die mit der Nicht- einhaltung der anerkannten Regeln der Technik verbundenen Konsequenzen und Risiken hingewiesen hat. Bei der oben geschilderten Sachlage hat der AN sich darauf be- rufen, dass nach § 13 VOB/B die Beseitigung des Mangels wegen eines unverhältnismäßig hohen Aufwands verweigert werden darf. In einem solchen Fall kann der AG nach § 638 die Vergü- tung mindern. Nach den Berechnungen des AN verursache die nachträgliche Herstellung des wasserdichten Unterdachs Kosten in Höhe von knapp 160.000 € bei einer Bausummen von insge- samt 280.000 €. Auch hier ohne Erfolg. Das OLG Koblenz führte dazu in dem o. a. Urteil aus, dass vor der Abnahme die in § 275 Abs. 2 BGB deutlich schärferen Grundsätze zu berücksichtigen sind. Nach denen ist die Grenze grober Unverhältnismäßigkeit erst er- reicht, wenn offensichtlich kein vernünftiger Mensch daran den- ken würde, unter den gegebenen Umständen eine Mangel- beseitigung durchzuführen. Diese Schwelle sei vorliegend nicht erreicht. Wegen der Bedeutung eines „regendichten Daches“ für das neu zu errichtende Gebäude ist das Nachbesserungsver- langen weder sinnlos noch rechtsmissbräuchlich. Zu beachten sind in diesem Zusammenhang auch die verwende- ten Begrifflichkeiten der Hersteller z. B. in deren werblichen Aussagen. Nicht alles, was dort als Unterdachbahn bezeichnet wird, entspricht den Produktdatenblättern für Bitumenbahnen bzw. für Kunststoff- und Elastomerbahnen und ist für diesen Anwendungszweck geeignet.
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