BayernDach Magazin 2-2023MB

4-TAGE-WOCHE

DER JOB SOLLTE SICH DEN INDIVIDUELLEN BE DÜRFNISSEN AN DAS LEBEN ANPASSEN – UND NICHT UMGEKEHRT. DOCH MEIST GEHT ES NICHT OHNE KOMPROMISSE. Die Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten ist nicht neu. In der 1960er Jahren setzten Gewerk schaften die 40-Stunden-Woche durch. Mitte der 1970er forderten die Gewerkschaften eine weitere Arbeitszeitverkürzung. Hintergrund waren u. a. die fortschreitende Ratio nalisierung und Automatisierung von Arbeitsabläu fen. Gleichzeitig sollte damit der Krise auf dem

Meinungsforschung: Nach einer Umfrage von Forsa im Auftrag von RTL und ntv würden sich 71 % der Erwebstätigen für eine 4-Tage-Woche entscheiden. Unter ihnen sind übrigens 7 %, die diese gewon nene Zeit für einen Nebenjob nutzen würden. Nach einer HDI-Studie sind immerhin noch fast 63 % der Befragten für eine 4-Tage-Woche. Geht diese verkürzte Wochenarbeitszeit auch mit einer Lohnkürzung einher, sind allerdings nur noch knapp 14 % bereit, in eine 4-Tage-Woche einzustei gen. Das hat sicher auch damit zu tun, dass ein verrin gertes Einkommen auch zu weniger Punkten bei

Arbeitsmarkt nach der Rezession entge gengetreten werden. Es ging also in ers ter Linie um die Sicherung von Beschäftigung bei einem Arbeitskräfte Überangebot. Dies setzte sich nach der wirtschaftli chen Rezession Anfang der 1980er Jahre fort. Die Diskussion um Arbeitszeitver kürzungen als Mittel zur Bekämpfung

Mehr Lebensqualität mit weniger Geld?

der Massenarbeitslosigkeit flammte erneut auf. Heute stellt sich die Arbeitsmarktsituation völlig anders dar: Es gibt kein Überangebot von Fachkräf ten und keine Massenarbeitslosigkeit, sondern in allen Branchen – und gerade im Handwerk – einen Fachkräftemangel. Auftragsvorläufe von einem halben Jahr und mehr stehen auf der Tagesordnung von Handwerksbe trieben. Eine Verkürzung der Arbeitszeit auf vier Tage pro Woche würde den Auftragsstau drastisch verlängern. So bliebe als Lösung nur, die Arbeitszeit von bisher fünf Tagen in vier Tagen pro Woche zu absolvie ren. Damit jedoch steigt die Belastung für Arbeits nehmer gerade in Branchen wie dem körperlich anspruchsvollen Dachdeckerhandwerk deutlich. Ob der Zugewinn des zusätzlichen freien Tages diese Mehrbelastung kompensieren kann, ist mangels Langzeiterfahrung mit der 4-Tage-Woche in die sem Handwerk noch nicht zu beantworten. Interessant bleibt jedoch der Blick in die aktuelle

der Rentenversicherung und damit zu einer geringeren Rente führen würde. Angesichts der immer noch hohen Inflation in Deutschland sind die aktuellen Forderungen der Gewerkschaften zum Inflationsausgleich

nachvollziehbar. Dem widerspricht aber die Bereit schaft, im Rahmen einer 4-Tage-Woche für weniger Geld weniger arbeiten zu wollen. Darüber hinaus würde ein geringeres Einkommen zu noch geringerer Kaufkraft führen. Schon jetzt beklagen viele Branchen, dass inflationsbedingt jeder Euro zweimal herumgedreht wird, bevor er in der Kasse des Handels landet.

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