BayernDach Magazin 3-2018
Bürokratie BETRIEB
investition für diesen bürokratischen Aufwand ein- mal auf das Monatseinkommen eines Betriebsinha- bers um, würde er in vielen Fällen für sich selbst die Mindestlohnschwelle unterschreiten. Das Verhältnis zwischen produktiver und unbezahlter Zeit stimmt schon lange nicht mehr. Dass zuviel Bürokratie durch Bundes- und EU-Ge- setze dem Handwerk die Arbeit erschweren, er- kannte in der Kabinettssitzung vom 17. September 2017 auch die Bayerische Staatsregierung. Sie brachte eine 9-Punkte-Agenda für weniger Bürokratie auf den Weg. Vorrang für Eigenverantwortung und Frei- räume, hieß das Motto. 1. Arbeits- und sozialrechtliche Schwellenwerte zu Betriebsgrößen überprüfen. 2. Verbraucherrechte-Richtlinie der EU: Informa- tionspflichten entbürokratisieren auf Grundlage des Leitbilds des mündigen Verbrauchers. Zwar gelten für handwerkstypische Reparatur- und In- standsetzungsarbeiten teilweise erleichterte An- forderungen – aber nur für Aufträge bis 200 €. 3. Verbraucherstreitbeilegungsgesetz: Konsequente 1:1-Umsetzung von EU-Recht bei den Informations- pflichten. Bisher verpflichtet der Gesetzgeber über die EU-Vorgaben hinaus Betriebe mit mehr als 10 Mitarbeitern, den Verbraucher auch über ihre feh- lende Bereitschaft zur Teilnahme an einer Ver- braucherschlichtung zu informieren. 4. Lenk- und Ruhezeiten für Kraftfahrer: Ausnahme- grenze für Handwerker auf 150 km erhöhen. 5. Sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfungen: Mehr Rechtssicherheit für Betriebe. Dazu gehört auch die Überprüfung der 30-jährigen Verjäh- rungsfrist für Nachforderungen. 6. Mindestlohn: Dokumentationspflichten deutlich entbürokratisieren. 7. Arbeitsschutzgesetz: Verbesserte Information und Beratung und Unterstützung bei der Umsetzung. Denn aufgrund von EU-Vorgaben unterliegen auch kleinere Betriebe grundsätzlich den gleichen arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen und um- fangreichen Dokumentationspflichten wie Groß- betriebe.
8. Steuerrechtliche Aufbewahrungspflichten (digi- tale Vorhaltung) verkürzen und vereinfachen. 9. De-minimis-Förderung entbürokratisieren. Die De- minimis-Verordnung der EU stellt Bagatellbeihil- fen für Betriebe von der Anmeldepflicht bei der Europäischen Kommission frei. Einem Unterneh- men können innerhalb von drei Steuerjahren 200.000 € gewährt werden. Alle in diesem Zeit- raum erhaltenen De-minimis-Förderungen müssen addiert werden. Die Beratungsförderung der Kammern soll nicht mehr als De-minimis-Förde- rung gestaltet werden. Vielmehr soll dafür z. B. die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung herangezogen werden. Zu einem Aktionsbündnis gegen zuviel Bürokratie im Handwerk schlossen sich im Hochsauerland erst kürzlich 85 Handwerker unterschiedlichster Gewerke zusammen. „Was Landwirte schaffen, sollte uns auch gelingen: sich gemeinsam für eine Sache einsetzen”, so eine Sprecherin des Bündnisses. Einer der Vor- schläge für Aktionen: Ausrechnen, wie viel Zeit mit unsinniger Bürokratie am Tag verbracht wird. Für diese Zeit werden die Läden und Werkstätten ge- schlossen. Vielleicht wäre es mal eine Anregung für den ZDH, den nächsten „Tag des Handwerks” auf einen Wo- chentag zu legen – und kein Handwerker wird an diesem Tag des Handwerks bei seinen Kunden er- scheinen. Schließlich muss er Bürokratie bewältigen.
Der Handwerker mutiert durch ständig neue Vorschriften immer mehr zum Buchhalter. Foto: Fotolia
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