BayernDach Magazin 3-2023
BLAUE SEITEN
Kein Vorbehalt trotz offenkundiger Mängel: Verlust der verschuldens- unabhängigen Mängelansprüche
Eine Klausel in einem vom Auftraggeber vorformulierten Bauvertrag, wonach die Vorlage von (Unbedenklichkeits-)Be scheinigungen Voraussetzung für die Fälligkeit der Vergütung ist, benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist unwirksam. Dies gilt jedenfalls dann, wenn schon das Fehlen einer einzigen Bescheinigung dazu führt, dass die Forderung insgesamt nicht fällig wird. Der Arbeitnehmer eines Nachunter nehmers ist nicht verpflichtet und kann durch eine vorformu lierte Klausel auch nicht dazu verpflichtet werden, den Generalunternehmer von der Nichtzahlung des Mindestlohns in Kenntnis zu setzen (OLG Hamm, Az.: 21 U 30/22 vom 15.12.2022).
Rügt der Auftraggeber nach der vorbehaltlosen Abnahme der Leistungen einen offensichtlichen Mangel (hier: Putzbeschädi gungen durch Abfräsen), kann seine Kenntnis von diesem Man gel bei der Erklärung der vorbehaltlosen Abnahme voraus- gesetzt werden. Hat der Auftraggeber eine mangelhafte Leistung in Kenntnis des Mangels abgenommen, kann er weder Mängelbeseitigung noch Erstattung der Ersatzvornahmekosten verlangen und auch die Vergütung nicht mindern. Er kann nur noch Schadensersatz oder den Ersatz vergeblicher Aufwendungen geltend machen (OLG Hamburg, Az.: 4 U 13/21 vom 03.05.2022; Nichtzulassungs beschwerde zurückgenommen).
Kündigung nach § 4 Abs. 7 VOB/B: Schon der kleinste Mangel reicht
Gemäß § 305c Abs. 2 BGB ist (auch) im Individualprozess die kundenfeindlichste Auslegung einer Allgemeinen Geschäfts- bedingung zu Grunde zu legen, wenn diese Auslegungsvariante im Zuge der Inhaltskontrolle zu deren Unwirksamkeit führt und so der Vertragspartner des Verwenders begünstigt wird. Nach diesen Grundsätzen ist für § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) von einem Klauselverständnis auszugehen, wonach auch bei ganz geringfügigen und unbedeutenden Vertragswidrigkeiten oder Mängeln die Kündigung aus wichtigem Grund eröffnet ist (BGH, Az.: VII ZR 34/20 vom 19.01.2023). Teilkündigung beim VOB/B-Vertrag: Was sind „in sich abgeschlossene“ Teilleistungen Die VOB/B geht von einer Vollkündigung aus. Die Kündigung kann auf einen in sich abgeschlossenen Teil der vertraglichen Leistung beschränkt werden. Der Begriff des in sich abgeschlos senen Teils einer Leistung ist eng auszulegen. Leistungsteile innerhalb eines Gewerks können grundsätzlich nicht als abgeschlossen angesehen werden. Bezieht sich eine Teilkündi gung nicht auf einen abgeschlossenen Teil der Leistung, ist sie unwirksam (OLG Düsseldorf, Az.: 5 U 232/21 vom 08.12.2022).
Bauprodukte nicht bauaufsichtlich zugelassen: Leistung des Auftrag- nehmers mangelhaft
Wird der Auftragnehmer mit der Betonsanierung und Beschich tung (hier: eines Belebungsbeckens in einer Kläranlage) beauftragt, müssen die verwendeten Bauprodukte sowohl den Normen für die Betonsanierung als auch den Normen für die Beschichtung entsprechen. Ein Bauprodukt, das weder über eine CE-Zulassung noch über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulas sung verfügt, darf nicht verwendet werden. Baustoffe, über deren Dauerhaftigkeit keine Erkenntnisse vorliegen, darf ein Unternehmer nicht verwenden, ohne den Besteller klar und ein deutig über das Verwendungsrisiko dieser Baustoffe aufzuklä ren (OLG Düsseldorf, Az.: 22 U 300/21 vom 13.01.2023).
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