BayernDach Magazin 3-2023
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In der Praxis bedeutet das: Vom OLG Stuttgart wurde entschieden, dass die Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Auftraggeber berechtigt war. Der Auftragnehmer hatte zum Zeitpunkt der Kündigung keine Mitarbeiter auf der Baustelle im Einsatz, um die begonnenen Arbeiten fortzuführen. Dies wird als Extremfall der „unzureichenden Ausstattung einer Baustelle mit Arbeitskräften” interpretiert. Der Auftragnehmer hatte durch das Einstellen der Arbeiten die rechtzeitige Erfüllung seiner Vertragspflichten stark verzögert und das Vertrauen des Auftraggebers in eine fristgerechte Leistung erschüttert. Deshalb sah das Gericht in dem Falle eine Fristsetzung zur Kün digung als entbehrlich. Der Auftragnehmer stellte den Auftraggeber vor die Wahl: Entweder die Nachtragsforderungen beauftragen oder andernfalls den termingerechten Abschluss der Baustelle zu gefährden. Und dies, obwohl der Auftraggeber um die besondere Dringlichkeit des Baufortschritts wusste. Diese beiden Optionen ließen dem Auftraggeber keinen anderen Aus weg, als zu kündigen. Fazit: Es ist gefährlich, wegen Nachtragsstreitigkeiten die Arbeiten vollständig einzustellen. Besser ist es, im Zweifelsfall die Nachtragsleistung auszuführen und die Zusatzvergütung notfalls nachher einzuklagen. Grundsätzlich können Nachtragsforderungen in eine Abschlags rechnung eingestellt werden. Sofern die Leistung jedoch noch Mängel aufweist (oft der Fall), steht dem Auftraggeber ein den Verzugseintritt hinderndes Zurückbehaltungsrecht zu. Deshalb gestaltet sich der Weg über § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B, nach dem der Auftragnehmer bei Zahlungsverzug nach fruchtloser Fristsetzung die Arbeiten einstellen darf, auch schwierig.
Abs. 3 VOB/B begründet auf das Verlangen des Auftrag- gebers eine Pflicht des Auftragnehmers zur Abhilfe des unzureichenden Baustelleneinsatzes. Kommt der Auftrag nehmer dieser Verpflichtung trotz berechtigten Abhilfe verlangens nicht nach, gerät der Auftragnehmer mit der Abhilfepflicht in Verzug. 2) Unter den weiteren Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 VOB/B führt die unberechtigte Arbeitseinstellung des Auftrag nehmers zu einem Kündigungsrecht des Auftraggebers nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B.“ Weiter heißt es im § 18 Abs. 5 VOB/B: „Streitfälle berechtigen den Auftragnehmer nicht, die Arbeiten einzustellen.“ Es besteht also ein Kooperationsgebot. Das OLG Stuttgart urteilte am 17.08.2021 im o. g. Fall: „1) Die Parteien eines VOB/B-Vertrages sind zur Kooperation verpflichtet. Entstehen während der Vertragsdurchführung Meinungsverschiedenheiten über die Notwendigkeit oder die Art und Weise einer Vertragsanpassung, sind sie grund sätzlich gehalten, im Wege der Verhandlung eine Klärung und eine einvernehmliche Lösung zu suchen. 2) Ungeklärte Nachtragsforderungen berechtigen den Auftrag nehmer nicht dazu, die Arbeiten einzustellen. Es ist dem Auftragnehmer zumutbar, die Nachtragsleistungen zu erbringen und deren Berechtigung – gegebenenfalls durch gerichtliche Überprüfung – abzuklären.“
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